Parabel über die Suche nach dem einheitlichen Kern der Wahrheit

 

Anastasia: Ich möchte glauben, dass die Menschen das erhören werden. Schließlich ist dies einzigartiges Wissen …

Rigden: Es ist nur dann einzigartig für einen Menschen, wenn er bereits vieles außerhalb der Schablonen der materiellen Welt versteht, wenn seine Seele nach dem strebt, was hinter dem Ereignishorizont liegt. Während viele jedoch… Wie oft wurde bereits das Wissen zu verschiedenen Zeiten gegeben? Gewöhnlich verlieren die Menschen es im Laufe der Zeit. Warum? Weil der menschliche Verstand das Einfache so verkompliziert, dass er im Nachhinein selbst nicht mehr in der Lage ist, das Wahre zu verstehen. Diesbezüglich gibt es übrigens eine alte indische Parabel. Sie bezieht sich auf die Zeit, als die Frau nicht nur gleichberechtigt zum Mann war, sondern auch ihre spirituelle Weisheit sehr verehrt wurde… „Es lebte auf der Welt eine Frau, Meisterin namens Vidya (der Name von Sanskrit übersetzt bedeutet „Wissen”). Sie hatte einen Schüler namens Amrit („der Unsterbliche“). Als der Schüler Erwachsen wurde, sagte die Meisterin Vidya zu ihm: „Du bist reifer geworden, du kannst deine Gedanken kontrollieren, deine Wut zügeln und deine Emotionen bewältigen. Gehe in die Welt hinaus. Du bist bereit, den einheitlichen Kern der Wahrheit zu finden und zu begreifen.“ Amrit fragte: „Meisterin Vidya ich bin Ihnen für Ihre weisen Worte, Ihre guten Taten dankbar. Sie haben mir Vieles gelehrt. Aber geben Sie mir wenigstens einen Hinweis, wo ich den einheitlichen Kern der Wahrheit suchen soll?“ Meisterin Vidya lächelte nur und antwortete: „Höre auf deine Seele, sie wird dir die richtige Richtung weisen.“

Kaum betrat Amir die große Stadt, als er die  Nachricht hörte, dass der Kaiser des Landes eine große Versammlung von Weisen einberuft, bei der Debatten und Diskussionen über den Sinn des Lebens geführt werden. Den Gewinner erwartete der kaiserliche Preis - hundert Kühe, deren Hörner mit Gold behangen waren. Amrit ging zur Versammlung in der Hoffnung, dort die Antwort zu hören, wo der einheitliche Kern der Wahrheit zu finden ist. Auf der Versammlung geschah jedoch etwas Unerwartetes für ihn. 

Als den Weisen die Frage gestellt wurde: „Was ist der Sinn des Lebens?“, antwortete jeder von ihnen auf seine Weise. Eine Frau unter den Weisen sagte: „Diese Welt ist für einen Menschen ein vorübergehender Zufluchtsort. Der Mensch wird mit geballten Fäusten geboren, indem er diese Welt zu erobern versucht. Er verlässt jedoch das Leben mit offenen Handflächen, ohne auch nur einen Staubkorn von der Welt mitgenommen zu haben. Der Sinn des Lebens liegt in der Entstehung der Wünsche des Menschen, die sein Schicksal nach dem Tod entscheiden.“ Ein Mann von den Weisen setzte die Diskussion fort: „Die Wünsche des Menschen sind zahlreich wie Sandkörner am Meer. Die Taten der Menschen sind so sporadisch wie Granitsteine. Die Taten des Menschen bilden sein Leben. Seine schlechten oder guten Taten werden zu seinem schlechten oder guten Schicksal. Der Sinn des menschlichen Lebens besteht darin, was er jedesmal im gegenwärtigen Moment tut.“ Eine andere Frau unter den Weisen antwortete ihm: „Die Taten sind die Folgen der menschlichen Gedanken. Wenn ein Mensch mit bösen Gedanken handelt, dann folgt ihm das Leiden wie das Rad eines Wagens hinter den Beinen eines Ochsen. Wenn ein Mensch mit guten Gedanken handelt, dann folgt ihm die Freude wie ein Schatten von der leuchtenden Sonne. Der Sinn des menschlichen Lebens verbirgt sich in seinen Gedanken.“ 

So dauerte die Diskussion bis zum Mittag. Schließlich sagte einer der berühmten Lehrer der damaligen Zeit, der für seine Gelehrsamkeit am Hofe bekannt war: „Von Emotionen flammen die Gedanken auf, wie das Feuer vom Blitz. Der Mensch, so wie er gestern war, wird er morgen nicht mehr sein. Die Lektionen des Lebens erkennen zu können, bedeutet zweimal zu leben. Der Sinn des Lebens liegt in den Veränderungen, die durch harte Arbeit und Sorgen entstehen.“ Unter den Weisen herrschte Schweigen. Da keiner von ihnen antwortete, beschloss Amrit, der unter dem einfachen Volke stand, an der Diskussion teilzunehmen und sagte: „Das Leben des Menschen vergeht, wie ein Traum. Um seinen Sinn zu verstehen, muss man aufwachen. Die Veränderungen im Äußeren sind nur dann nützlich, wenn sie aus der inneren Welt des Menschen hervorkommen. Alles was es in dieser Welt gibt und nicht gibt, hat er hier - in seiner Seele. Die Erkenntnis dieser Wahrheit ist der Sinn des Lebens.“ Nach diesen Worten jubelte das einfache Volk, die Weisen nickten und stimmten der Weisheit der Worte des unbekannten jungen Mannes zu. Der kaiserliche Preis wurde Amrit überreicht. So errang er an einem Tag Reichtum und Ruhm.

Nach der Versammlung der Weisen kam auf Amrit ein berühmter Lehrer zu, der zuvor alle seine Gegner in den Debatten besiegte und dem der Jungling den Sieg so unerwartet wegnahm. Er fragte Amrit, was ihn in diese Gegend verschlagen hat. Als er von der Suche nach dem einheitlichen Kern der Wahrheit erfuhr, erwiderte er erfreut: „Oh, junger Mann! Sie haben großes Glück. Heute haben sie nicht nur Reichtum und Ruhm, sondern auch einen treuen Freund und weisen Lehrer in meiner Person erworben. Ich bin in der Gegend sehr bekannt. Ich unterrichte verschiedene Wissenschaften, in denen viele Kerne der Wahrheit verborgen sind.“ Im Anschluss an das Gespräch mit dem berühmten Lehrer, wollte Amrit sein Schüler werden und gab das ganze Geld für die Ausbildung in verschiedenen irdischen Wissenschaften aus. Bereits nach kurzer Zeit war er als einer seiner besten Schüler bekannt, beherrschte viele Sprachen und studierte alle Wissenschaften der damaligen Zeit. 

Voller Stolz auf seine Taten kehrte Amrit ins Haus der Weisheit zurück. Meisterin Vidya befand sich zu dieser Zeit im Garten. Erfreut über das Wiedersehen, berichtete er von seinen Reisen: „Als ich das Haus der Weisheit verließ, geschah etwas Unerwartetes. An dem Tag rief der Kaiser des Landes eine große Versammlung von Weisen zusammen. Ich ging dahin in der Hoffnung, eine Antwort auf meine Frage zu bekommen. Auf der Versammlung wurden Debatten und Diskussionen über den Sinn des Lebens geführt. Auch ich äußerte meine Meinung und wurde plötzlich mit dem kaiserlichen Preis ausgezeichnet. An einem Tag erwarb ich Reichtum und Ruhm. Ich beschloss das ganze Geld für die Ausbildung bei einem berühmten Lehrer auszugeben, um den Kern der Wahrheit zu erfahren. Nun erwarb ich viele Kenntnisse in verschiedenen Wissenschaften und kann von vielen Kernen der Wahrheit in jeder dieser Wissenschaften erzählen…“ Amrit fing an zu erzählen, was er erfuhr. Meisterin Vidya hörte sich seine Erzählungen über Errungenschaften und erworbene Kenntnisse an, lächelte nur und sagte dann: 

„Du hast nur deine Gelehrtheit gezeigt. Alles, was du in der Welt gelernt hast, ist Wissen vom Verstand. Aber das bedeutet nicht, dass du den einheitlichen Kern der Wahrheit gefunden und erkannt hast. Die Vielfältigkeit wird aus der Einheit geboren. Um in den Sinn des Verborgenen einzudringen, benötigt man Sinnlichkeit, Achtsamkeit und Verständnis.” Meisterin Vidya hob die Frucht des nächststehenden Baumes vom Boden auf und zeigte sie Amrit. “Du hast nur das gelernt, woraus die sichtbare Welt gewebt ist, aber du hast außer Acht gelassen, woraus sie besteht und wofür das Alles existiert.“ Meisterin Vidya teilte die Frucht in zwei Hälften, entkernte diese, teilte wiederum den Samen und zeigte Amrit das Kerninnere. „Mit der Hilfe des Verstandes erkennst du den sichtbaren Kern des Samens, aus dem ein großer Baum wächst. Jedoch nur mit Hilfe der Gefühle kann man das Unsichtbare, die lebensspendende Leere erkennen, dank der ein großer Baum wächst. Der Samen ist nur ein Gefäß der schöpferischen Leere. Die lebensspendende Leere ist aus einem einheitlichen Kern der Wahrheit gewebt, aus der alles geboren wurde und in der alles wieder erlischt.

Als du den Weg angetreten bist, war dieses Wissen in dir. Dank ihm hast du Reichtum und Ruhm erlangt, du hast aber den Reichtum zum Wohle deines Verstandes benutzt. Der Reichtum wird zum Verständnis der Verantwortung gegeben. Die Reichtümer der Welt gehören dieser Welt an, in der alles vergänglich und dem Tod unterworfen ist. Hättest du den Reichtum zum Wohl der Menschen benutzt, hättest du den Kern der Wahrheit, dessen Teil in dir drin ist, gefunden und erkannt.“ „Aber, was soll ich tun?“ - sagte Armit aufgeregt. - Ich verfüge nicht mehr über den früheren Reichtum um meine Fehler zu beheben.“ Worauf Meisterin Vidya antwortete: „Setze deinen Weg fort, wo du angehalten hast. Setze deinen Weg fort, aufbauend auf die Erfahrung, die du gemacht hast. Du hast dir weltliches Wissen angeeignet, das die Menschen so sehr schätzen und somit die sichtbare Welt erkunden. Gehe und lehre die Menschen dieses Wissen, zeige ihnen aber nicht nur das, woraus die sichtbare Welt gewebt ist, sondern auch das, woraus diese besteht und wofür das alles existiert.“

Amrit wunderte sich: „Wie zeige ich den Menschen das, was ich selbst nicht weiß?“ Meisterin Vidya lächelte und antwortete: „Werde zu dem, den du nicht kennst. Sei du selbst, denn in dir drin gibt es ein Teilchen vom Kern der Wahrheit. Der Mensch ist nur ein Gefäß für die Seele - die Quelle seines Wesens. Finde jenes Einheitliche, erkenne Es. Das ist gerade das Wichtigste. Erkennst du den einheitlichen Kern des Wissens, erkennst du dich selbst.“ Amrit fragte: „Aber wie mache ich das?“ Meisterin Vidya antwortete: „Nutze deinen Verstand zum Wohle der Menschen und sammle Erfahrung. Wenn deine Handlungen aus Gefühlen der Wahrheit wegen stärker zunehmen, als die Menge der Wörter vom Verstand für das Ego, dann wirst du den einheitlichen Kern der Wahrheit erkennen.

 

 

Rarables from the books by Anastasia Novykh

Die Sage über den Glücklichsten und reichsten Menschen

„In einer Siedlung lebte ein Mensch. Er fiel unter anderen Menschen damit auf, dass er, obwohl er arm war, immer mit Freude lebte und selbstlos anderen Menschen wie er konnte half. Manchen half er mit Wort, den anderen mit Tat. Es gab Gerüchte, dass wenn er allein war, lobte er Gott und bedankte sich bei Ihm aufrichtig für die reichen Gaben, die Er ihm gab. Darüber erfuhr ein namhafter Hierophant. Er entschied sich diesen Menschen zu besuchen um auszufragen, für welche reichen Gaben er Gott dankt... Mehr lesen...

Der Klageruf eines in Gewand gekleideten Engels, oder das Leiden eines Menschen, der einen Engel statt der Seele hat.

An wen und warum schreibe ich diese Zeilen? Wahrscheinlich sind sie an mich selbst gerichtet. Denn in all den Jahren, die ich in einem heiligen Ort verbracht habe, wurde ich nur zweimal erkannt und das nur von den Menschen, deren Seelen nach Gottes Willen vom Denken befreit waren. Das Denken des Menschen ist wie ein Stein, vielleicht sogar eine ganze Bergklippe, die der Seele im Weg steht. Man kann sie weder umgehen noch überspringen. Und nicht jedem gelingt es, über die scharfen Steine, die Nägel sich blutig aufreißend, nach oben zu klettern und nach dem Herunterfallen von der durch Süße der Klugheit rutschig gewordenen Bergstufe mit geistiger Kraft erstarkend aufzustehen und weiter zu kriechen… Mehr lesen...

Die Sage über zwei Brüder

Vor langer Zeit wurden in einer Siedlung zwei Zwillingsbrüder geboren. Obwohl der Abstand in der Geburtszeit Minuten zählte, hielt sich der erste Bruder das ganze restliche Leben lang für den Ältesten, und daraus folgend für den Klügeren. Als die Brüder aufwuchsen, geschah es, dass ein Wanderer in ihrem Haus über Nacht blieb. Es war ein Geistlicher und Weiser Mensch. In damaliger Zeit führte das Volk dieser Siedlung einen Krieg mit dem Nachbarvolk. Dieser Krieg brachte den Menschen bereits sehr viel Kummer. Die Brüder fragten den Weisen um Rat. Mehr lesen...

Die Sage über den Zweig des Zweifels

Rigden: …Einmal ist ein Mensch den Abhang hinunter gestürzt. Als er fiel, ist es ihm gelungen sich am Zweig des kleinen Baumes festzuhalten, der in der Spalte des Felsens wuchs. In der Mitte des Abhangs hängend, erkannte er die ganze Aussichtslosigkeit seiner Lage... Mehr lesen...

Die Sage über den Weg des Kriegers

Ein Zar hatte einen einzigen Sohn. Er erfuhr, dass es irgendwo einen Meister der Kampfkunst gab, der sogar unter Zaren für seine WEISHEIT berühmt war. Man erzählte, dass er unglaubliche Wunder vollbringen könnte und sogar innerhalb von einem Jahr aus einem einfachen Bauernjungen einen wunderbaren Meister machen konnte... Mehr lesen...

Die Sage von einem Eiskristall

Hoch in den Bergen, auf einem schneeweiß glitzernden Gipfel wurde ein Eiskristall, so klar, wie die Träne eines Säuglings, geboren. Tagsüber bestaunte er die Sonne, dabei spielte er mit seinen von der Natur kunstvoll geschaffenen Flächen. Nachts erfreute er sich an den Sternen... Mehr lesen...

Empfohlenes Buch

AllatRa Buch herunterladen